Vor 10 Jahren habe ich Helmut Haasis dabei unterstützt, eine Gruppe der Freidenker und Humanisten in Reutlingen aufzubauen. Dies schien zu gelingen. Es gab regelmäßige Treffen mit hoch interessanten Vorträgen und Diskussionen.
Durch meinen Einzug in der Reutlinger Gemeinderat konnte ich Helmut nicht mehr im gleichen Maße unterstützen und er selbst brachte nicht mehr die Energie auf, die Gruppe am Leben zu erhalten.
Obwohl in der Bevölkerung der Anteil der Atheisten, Agnostiker und Humanisten ständig wächst, hat dieser, im Gegensatz zu den Kirchen, hier keine Lobby.
Wer an der Wiederbelebung der Freidenker-Humanisten Reutlingen Interesse hat
– im Vermächtnis von Helmut Haasis –
und sich engagieren will, möge sich bei mir melden: weckmann@kabelbw.de
Auf den Flügeln der Freiheit
Wolfgang Alber über den verstorbenen Autor Hellmut G. Haasis
Schwäbisches Tagblatt
Vor einiger Zeit sind wir uns noch über den Weg gelaufen.Vor der Stadtbibliothek, die für ihn eine Schatzgrube des Wissens und der Recherche war. Wie immer sprudelte er über vor Kenntnissen. Nie war er ein Besserwisser, immer war er inspirierend und hatte eine humorvolle Pointe parat. Am Freitag ist der in Betzingen lebende Schriftsteller, Historiker, Verleger Hellmut G. Haasis im Alter von 82 Jahren überraschend schnell aufgrund einer schweren Erkrankung gestorben. Bei aller Trauer aber ist die Erinnerung an ihn so bunt und fröhlich wie seine meist farbenfrohe Kleidung.
Geboren in Mühlacker, studierte er evangelische Theologie, Geschichte, Soziologie, Politik. Seine Dissertation über die bürgerliche Emanzipationsforderung nach Mündigkeit wurde abgelehnt, eine akademische Karriere blieb ihm verwehrt. So wurde aus ihm ein mündiger, selbstbestimmter Autor. Seine wissenschaftliche Perspektive war die Geschichte von unten, er hatte die Beherrschten, nicht die Herrschenden im Blick. Haasis schuf ein immenses, gewichtiges Œuvre, folgte den „Spuren der Besiegten“, sah die „Morgenröte der Republik“ dämmern, gab „der Freiheit Flügel“ – so seine Buchtitel über Freiheitsbewegungen, linksrheinische Demokraten, deutsche Jakobiner. Heute sind es Grundlagenwerke, damals musste der Außenseiter um Anerkennung ringen. Er setzte sich mit verdrängter Landesgeschichte auseinander, korrigierte das antisemitische Zerrbild von Joseph Süß Oppenheimer, rehabilitierte den Hitler-Attentäter Georg Elser als „Meister der Tat“.
Haasis war ein ungemein vielseitiger Schreiber, verfasste Mundartgedichte, Theaterstücke, dazu Romane wie „Em Chrischdian sei Leich“ oder „Heisel Rein“ über lokale Stoffe aus Ohmenhausen und Betzingen. Mit seiner Frau Gerlinde Hummel-Haasis gab es das Büchlein „Generalstreik, SS und der Knick im Sofakissen“ zu regionalen Geschichtsepisoden heraus. Auch fürs TAGBLATT lieferte er Beiträge, etwa über den Buttenhäuser Rabbiner Jakob Stern.
Er war nicht nur am Schreibtisch zu finden, sondern selber ein Mann der Tat. Er mischte sich gewerkschaftlich und politisch ein, gehörte in den 1980er-Jahren kurzfristig für die Grünen dem Reutlinger Gemeinderat an. Aber das Gremium war ihm zu wichtigtuerisch und bierernst, lieber brachte der zweifache Vater als schwäbischer Märchenclown „Druiknui“ Kinder zum Lachen.
Und er blickte weit über den Betzinger Kirchturm hinaus, sein Verlag „Der Freiheitsbaum“ firmierte unter den Orten Paris, Strasbourg, Basel, Torino, Cagliari, Reutlingen, Berlin, Praha, er zeigte das Spektrum seiner Interessensgebiete: Dazu gehörten eine literarische Anthologie über Prag ebenso wie ein Buch über das dortige Attentat auf Heydrich, er war bei Arbeiterkämpfen in Norditalien vor Ort, studierte die Sozialgeschichte der Banditen und Briganten, drehte einen Fernsehfilm über sardische Wandmalereien.
Die Selbständigkeit war schwer erkämpft, aber schließlich trug seine akribische Archivarbeit Früchte: Thaddäus-Troll-Preis, Schubart-Preis, Anna-Haag-Preis, Civis-Preis der ARD. Als ihm noch der Ludwig-Uhland-Preis verliehen wurde, sagte er in seiner lakonischen Art: „Das Preisgeld langt für eine Pelletsheizung.“ Wer ihn im Haus in der Tannenstraße in der Bibliothek besuchte, die wie ein Gehäuse um ihn herum gebaut war, erlebte einen Freigeist, der um die Vergangenheit wusste und gerade deshalb mit beiden Füßen in der Gegenwart stand. Hellmut G. Haasis war ein streitbarer Feuerkopf und ein liebenswerter Mensch.